Am Ende sterben wir sowieso

Ich bin eigentlich jemand, der das Ende eines Buches nicht vorher wissen darf. Dann ist der ganze Zauber weg und ich lese es irgendwie nicht. Bei Adam Silveras Roman „Am Ende sterben wir sowieso“ verrät der Titel eigentlich schon das Ende. Dennoch wollte ich es lesen, denn ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt. Vielleicht sterben doch nicht alle? Warum müssen sie überhaupt sterben? 

Was wäre, wenn das Schicksal bei dir anklopft, um, dich vor deinem Tod zu warnen? Am 5. September bekommen Mateo und Rufus einen solchen Anruf. Von ihrem Todesboten, der die undankbare Aufgabe hat, ihnen die schlechte Nachricht zu überbringen: Sie werden heute sterben.

Aus unterschiedlichen Gründen beschließen sie, an ihrem letzten Tag einen neuen Freund zu finden. Die gute Nachricht lautet, dass es dafür eine App gibt: Sie heißt Letzte Freunde und durch sie werden sich Rufus und Mateo begegnen, um ein letztes großes Abenteuer zu erleben – und um gemeinsam ein ganzes Leben an einem einzigen Tag zu verbringen.

Wäre es rein vom Titel denkbar gewesen, dass es sich nicht hauptsächlich um den Tod drehen würde, so wäre diese Hoffnung spätestens durch den Klappentext behoben worden. Dennoch: Bis zur letzten Seite habe ich gehofft, dass es doch irgendwie anders kommen würde. Das zeigt wie sehr wir als Leser in die Geschichte einbezogen werden, denn auch wenn es eigentlich keine Hoffnung gibt, versuchen sie alle ihrem Tod zu entgehen. 

Egal, wie wir zu leben beschließen, am Ende sterben wir sowieso.

S. 87

Ich finde Silveras Schreibstil erstaunlich. Er ist auf den ersten Blick sachlich und leicht distanziert. Doch bereits wenige Sätze später liegt zwischen den Zeilen so viel Gefühl, dass ich beim Lesen einen Kloß im Hals hatte. Die beiden Charaktere Mateo und Rufus sind so unterschiedlich, dass es schon wieder spannend ist, wie sie es miteinander aushalten. 

Ich fand es erstaunlich, wie Mateo sich dank Rufus zu einem besseren Menschen entwickeln konnte – innerhalb nur eines Tages. Gleichzeitig hat es Mateo geschafft Rufus zu erden und ihm so einen glücklichen, letzten Tag zu schenken. 

Gesellschaftskritik inklusive

Sehr beeindruckt hat mich die leichte Kritik unserer Gesellschaft, die Silvera nebenbei noch mit eingearbeitet hat. Die Menschen wissen max. 24h vorher bescheid, dass sie sterben werden. So können sie auf der einen Seite ihre Angelegenheiten regeln. Auf der anderen Seite nutzen es verschiedene Unternehmen aus, dass Todgeweihte automatisch den Wunsch haben noch etwas zu erleben.

Manchmal ist die Wahrheit ein Geheimnis, das man vor sich selbst hat, weil es leichter ist, eine Lüge zu leben.

S. 124

Es gibt gleich mehrere Organisationen, an denen sie verschiedenste Dinge unternehmen können – Reisen innerhalb weniger Stunden, Adrenalinkicks und vieles mehr. Es gibt Apps, die ihnen helfen Freunde für die letzten Stunden zu finden oder aber jemanden um noch einmal Spaß im Bett zu haben. Es ist bizarr und doch sinnbildlich für unsere Gesellschaft. Wenn es eine Möglichkeit gibt, aus eigentlich schlimmen Dingen Profit zu schlagen, dann wird es immer jemanden geben, der es macht. Natürlich steht dabei nur das Wohl der Betroffenen im Vordergrund, aber es bleibt ein fader Beigeschmack.

Wenn aus Fremden Freunde werden

Rückblickend ist es nicht der Tod, der im Buch eine so große Rolle einnimmt. Es ist die Freundschaft und das Vertrauen. Der Tod ist unvermeidlich, nicht nur für Mateo und Rufus. Doch es ist erstaunlich, was sie im Bewusstsein zu sterben noch unternehmen. Sie beide wachsen über sich hinaus. Langweilig wird es dabei nicht. Ihre Entwicklung sowie die Entstehung ihrer Freundschaft macht dieses Buch für mich zu etwas Besonderem.

Es ist gesellschaftskritisch. Es ist gefühlvoll. Es ist mitreißend. Es ist einfach mehr als nur lesenswert.

2 Replies to “Am Ende sterben wir sowieso

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