Die Flutwelle

Auf dieses Buch wurde ich durch einen Newsletter des Verlages aufmerksam. Das Cover weckte direkt mein Interesse, denn ich musste unweigerlich zweimal hinsehen um den Titel zu bemerken. Das prägende Element ist hier das Wasser und auch wenn man den Titel liest, drängt sich das Thema Wasser regelrecht auf.

Wie würdest du dich verhalten im Angesicht einer Katastrophe?
Hoch oben im Norden Schwedens regnet es schon fast den ganzen Herbst. Und dann zeigen sich im obersten Staudamm des Lule älv tatsächlich Risse. Keiner kann sich vorstellen, dass er brechen könnte. Doch dann geschieht genau das – die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Das Wasser kommt in gigantischen Massen. Ein Tsunami im eigenen Land. Inmitten des Infernos eine Gruppe von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die nun aufeinander angewiesen sind, wollen sie überleben: Der Hubschrauberpilot, der kurz vor einem Selbstmord stand. Die Künstlerin, die mit ihrer Malgruppe in den Wäldern umherstreift. Die Schwangere, die an einen Schornstein geklammert um ihr Überleben kämpft und von einem anderen Schiffbrüchigen ins Boot gezerrt wird. Zwei Ingenierinnen, die schon lange vor der Gefahr gewarnt haben. Sie alle stehen vor einer gewaltigen Herausforderung: Sie kämpfen nicht nur ums Überleben, sondern auch um ihre eigene Menschlichkeit .

Ich denke der Klappentext spricht für sich. Es handelt sich hier um kein „Schön-Wetter-Buch“ – entschuldigt das Wortspiel – sondern um eines das den Menschen in einer Extremsituation zeigt. Das schreckte mich keineswegs ab sondern war im Gegenteil einer der Gründe warum ich „Die Flutwelle“ von Mikael Niemi unbedingt lesen wollte. Es ist manchmal erstaunlich wie sehr schon ein Klappentext für ein Buch spricht. Ich muss sagen der btb Verlag hat hier wahrlich ein Glanzstück in sein Programm genommen. Dieses Buch brilliert durch seine Wortgewalt. Einen detaillierten Spannungsbogen dürfen Leser hier nicht erwarten. Doch diesen braucht das Buch auch nicht unbedingt, es ist zwar spannend zu lesen, viel beeindruckender sind in meinen Augen jedoch die schonungslosen Beschreibungen der Situation, der Menschen und ihrer Reaktionen. Hier wird nicht beschönigt sondern eine denkbare Realität dargestellt.
Adolf Paval würde einen richtig schlechten Tag erleben. Tatsächlich sollte der Tag schlimmer werden, als er es sich je hätte vorstellen können. Noch ahnte er nichts und war deshalb guter Dinge und zugleich ein wenig wehmütig, als er in seinem Arbeitsgerät saß, einem Saab 9000 Coupé mit allerlei Sonderausstattung und getönten Seitenscheiben.
Zitat Seite 7
Das Buch beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Es werden die verschiedenen Personen und ihre Lebenssituation in einzelnen Kapiteln vorgestellt. Das mag zunächst etwas verwirrend sein, da es scheinbar ständig eine neue Figur zu geben scheint ohne das es Verbindungen geben würde. Das hat mich zunächst irritiert, doch mit jedem weiteren Kapitel und jeder weiteren Seite rückt dies irgendwie in den Hintergrund, da das Geschehen selbst die Hauptrolle spielt. Hier sind es nicht die Figuren, die das Leseerlebnis prägen und ein Gefühl für das Buch prägen, hier waren es das Thema und die Umsetzung, die Beschreibungen und Handlungen, die mich mitgerissen haben (irgendwie ist fast alles hier ein Wortspiel). Ich muss gestehen, dass mir keine der Figuren wirklich tief ins Gedächtnis gelangt ist. Sie sind irgendwie auch nicht wichtig obwohl ohne sie das Buch nicht funktioniert hätte. Es ist schwer zu beschreiben, doch dieses Buch lebt von viel mehr als nur den Protagonisten.
Draußen regnete es leicht, fast wie Neben – eher dunstige Feuchtigkeit, die herumwaberte, als einzelne Tropfen.
Zitat Seite 8
Der Schreibstil ist einfach, offen und sehr deutlich. Die klaren Beschreibungen helfen dem Leser sich in die Situation und das Geschehen einzuleben. Das Kopfkino begann bei mir schon nach wenigen Zeilen, was in meinen Augen ein Indikator für ein gutes Buch ist. Ohne aufzusehen habe ich so direkt die Hälfte des Buches gelesen gehabt ohne einmal aufzusehen oder zu unterbrechen. Es war grandios.
Es war unbeschreiblich. Eine Welt, die in Milliarden Tonnen zerbrach. Wie ferngesteuert tastete er nach seiner Handykamera, bis er sich wieder daran erinnerte. Sie war weg. Er hatte nur noch seine Augen. Er konnte nur noch dastehen und etwas betrachten, wovon er nie gedacht hätte, dass ein Mensch es je erleben würde.
Zitat Seite 47
Manchmal war es erschreckend wie wenig überraschend die eine oder andere Reaktion der Figuren im Buch gewesen sind. Das machte es aber auch so nachvollziehbar und realistisch. Vielleicht funktioniert es deswegen so gut. Ich würde die Handlung ja als flüssig und gut zu folgen beschreiben, aber lassen wir das. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob hier wirklich alles in chronologischer Reihenfolge passierte. Die Figuren für sich sicherlich aber untereinander? Nun das ist irgendwie auch egal, denn irgendwie gehört dieses Durcheinander auch dazu. Eine Flutwelle, dem Titel entsprechend bricht sich den Weg und verursacht Chaos. Das spürt man beim Lesen und genau das hat mich hier auch so begeistert. Dieses Buch bekommt von mir eine unbedingte Leseempfehlung und die vollen 5 Sterne mit mehreren Ausrufezeichen. Es war ein grandioses Lesegefühl, das man erlebt haben sollte.

One Reply to “Die Flutwelle”

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