Norra Latin ist eine der höheren Schulen Schwedens. Jedes Jahr versuchten zahlreiche Schüler und Schülerinnen einen Platz hier zu ergattern. Im Gegensatz zu vielen anderen der alten höheren Schulen ist Norra Latin heute keine Schule mehr. Sara B. Elfgren erweckt sie jedoch in ihrem neuen Buch „Norra Latin – Die Schule der Träume“ erneut zum Leben.
Tamar und Clea haben die Aufnahmeprüfung der renommierten Stockholmer Schauspielschule Norra Latin bestanden. Die beiden sind grundverschieden, doch sie verbindet der Traum von einer Schauspielkarriere. Aber dass der Schulalltag so aufregend wird, hätten sie nie gedacht. Denn es gibt Gerüchte über eine Tragödie, die sich dort vor Jahrzehnten ereignet hat. Was ist damals bei einer Shakespeare-Aufführung passiert? Und wer ist der mysteriöse »Schatten« von Norra Latin? Je tiefer Tamar und Clea in die Vergangenheit eintauchen, desto größer scheint das Rätsel zu werden – und die Gefahr.
„Norra Latin – Die Schule der Träume“ ist eines der wenigen Bücher deren Klappentext nicht wirklich viel über den Inhalt verrät. Tatsächlich konnte ich mir zunächst gar keinen Reim auf die Geschichte machen, die sich hinter dem hübschen Cover verbergen sollte. Dennoch war ich neugierig, denn Wörter wie „mysteriös“ und „Rätsel“ lassen mich unweigerlich aufhorchen.
Natürlich musste ich daher direkt nach Erhalt des Buches auch mit dem Lesen beginnen. Da gab es direkt den ersten Pluspunkt: Vor dem ersten Kapitel gibt es einen kurzen Prolog, in dem das reale Norra Latin kurz vorgestellt und seine Geschichte umrissen wird. Das finde ich gerade für uns Nicht-Schweden gut, da wir vermutlich deutlich weniger mit diesem Namen verbinden als viele Schüler in Stockholm.
Worum geht es? Kurz umrissen: In der Vergangenheit des Theaterzweiges der Norra Latin gab es zur Aufführung von Shakespeares „Sommernachtstraum“ eine Tragödie – ein Lehrer starb und ein Schüler verschwand spurlos. Was genau geschehen ist, weiß niemand so genau. Dennoch wurde der Schüler schnell zu einer Art traurigem Maskottchen des Theaterzweiges. Die Schüler flüstern sich hinter vorgehaltener Hand Schauergeschichten über die Geschehnisse damals und sein Verbleiben zu. So weit so mysteriös, denn neben dieser „Geistergeschichte“ ist Norra Latin ganz normal.
Dies betont auch das Buch. Über viele Seiten hinweg spiegelt sich hier der Schulalltag wieder. Wir als Leser haben die Möglichkeit die beiden Protagonistinnen Clea und Tamar kennenzulernen, aus deren Sicht die Handlung dargestellt wird. Positiv sei hier anzumerken, dass die sexuelle Orientierung der beiden Mädchen in „Norra Latin“ deutlich freier und selbstverständlicher dargestellt wird. Es wird nicht explizit thematisiert sondern eher nebenbei erwähnt. Dennoch finde ich es gut und es hebt das Buch von einer klassischen Dreiecksbeziehung ab. Während Clea sich in Tim verliebt (was auf Gegenseitigkeit beruht) bleibt Tamar nichts anderes üblich als heimlich zu schmachten. So weit so „schlimm“, denn eigentlich dreht sich „Die Schule der Träume“ um etwas ganz anderes.
„Seitdem sucht er, verborgen hinter dieser Maske, die Schule heim, weil er jemanden braucht, der ihm endlich Frieden gibt.“
S. 122
Der Geist von Erling Jensen ist ein immer wieder auftauchendes Rätsel im Buch. Ganz der Geistergeschichte entsprechend wird er eher nebenbei erwähnt und wirft lange nur weitere Fragen auf als Antworten zu geben. Das hat mich über das Buch hinweg auch bei der Stange gehalten. Ein Geist, der immer wieder um Hilfe bittet aber keine weiteren Infos gibt. Eine Schülerin, die ihn als einzige wahrnimmt und immer wieder versucht mehr über die Hintergründe zu erfahren. Das hat mir im Verhältnis zur Seitenszahl etwas zu lang gedauert.
Der „Alltag“ nahm manchmal gefühlt zu viel Raum ein wobei dieser alles andere als platt war. Dennoch finde ich, dass es hier teilweise knapper hätte ausfallen können ohne die Entwicklung der Figuren zu beeinträchtigen. Letztlich darf nicht vergessen werden, dass es sich um ein Jugendbuch für Leser ab 14 Jahren handelt (Verlagsempfehlung). Eventuell habe ich hier einfach zu viel erwartet? Dies ist im Nachhinein tatsächlich auch der einzige Kritikpunkt, den ich an „Norra Latin – Die Schule der Träume“ habe.
Kurz und knapp: „Norra Latin“ ist gut. Es ist erstaunlich frei in den Möglichkeiten der Figuren. Wo wir uns oft noch etwas versnobt geben, ist die Autorin hier deutlich weiter. Gerade bei einem Jugendbuch ab 14 finde ich das gut. Hier wird Toleranz groß geschrieben und ohne kritische Einblicke zu vernachlässigen. Bedenkt man dies, gehört Sara B. Elfgrens neues Buch klar zu den großen. Eine kleine Straffung hätte die Spannung vielleicht etwas mehr gehoben, dem Lesevergnügen tut dies aber nur einen kleinen Abbruch.