Sommer unter schwarzen Flügeln

Dieses Buch war eine Zufallsentdeckung. Das Cover machte mich aufmerksam, der Klappentext neugierig. Für ein Jugendbuch klingt dieser unglaublich tiefsinnig, verspricht eine nachdenkliche Geschichte und interessante Charaktere. Da ist auch die Entscheidung, das Buch zu lesen, ziemlich schnell gefallen.

Nuri kommt aus Syrien und lebt im Asylbewerberheim. Calvin wohnt nur wenige Häuser weiter und ist Mitglied einer rechten Jugendgang. Als sie sich kennenlernen, erzählt Nuri ihm von ihrem Heimatdorf am Rand der Wüste und von dessen Schönheit. Doch dann kamen die Schwingen des Bösen und legten sich über das ganze Land. Je mehr Calvin über das Mädchen mit den dunklen Augen erfährt, desto mehr verliebt er sich in sie. Calvin möchte seine Gang verlassen – doch so einfach entkommt er seinen alten Freunden nicht.
Schon der Einstieg ins Buch macht deutlich, was es hier zu lesen gibt. Er ist gut gewählt, bildlich und sagt irgendwie sehr viel aus. Das weiß man als Leser nicht, wenn man mit diesem Buch beginnt, doch hat man es erst einmal beendet, dann wirkt er gleich viel passender.

Grün.
Grün ist die Farbe der Hoffnung.
Was für ein abgenutzter Satz das war.

Zitat S. 7

Jetzt im Nachhinein muss ich sagen, dass sich diese Tiefgründigkeit auf den zweiten Blick nicht nur in den ersten Zeilen des Buches findet. Das gesamte Buch von Peer Martin wirkt nach dem Lesen noch einige Zeit nach. Das war so vom Autor jedoch auch beabsichtigt, denn das Thema von „Sommer unter schwarzen Flügeln“ ist aktueller denn je. An verschiedenen Orten der Welt herrscht Krieg, gibt es Armut und andere gesellschaftliche Probleme. Politische Flüchtlinge gibt es derzeit gefühlt mehr als tatsächlichen Platz um diese aufzunehmen. Genau diese Situation ist es aber auch, die der Engstirnigkeit manchmer Menschen immer wieder neue Nahrung gibt. Organisationen wie Pegida und wie sie alle heißen nutzen die Situation aus um ihren radikalen Ansichten Gehör zu verschaffen. Auf Gehör stoßen sie dabei jedoch gerade in den Gesellschaftsschichten, die sich selbst benachteiligt fühlen.

„Wenn Sie Calvin nicht mögen, warum geben Sie seinen kleinen Brüdern Nachhilfe?“
„Damit sie eine Chance haben, anders zu werden als er. Für ihn ist es zu spät.“

Zitat S. 63

Scheinbar festgefahrene Ansichten aber auch Vorurteile sind ein markantes Thema in Martins Buch. Doch mit Nuri gibt es ein Mädchen, dass unabhängig von Vorurteilen und gesellschaftlichen Meinungen handelt. Sie handelt ganz unvoreingenommen und bewertet niemanden aufgrund seines Erscheinungsbildes oder der Meinung anderer. Das ist erfrischend, denn es wirkt ganz zwanglos im Buch. Der Autor hat es wie das normalste der Welt dargestellt, was bei mir doch einiges an Verwunderung ausgelöst hat. Besonders beachtlich finde ich: Nuri gibt vor erst Deutsch zu lernen. Ist Calvin jedoch nicht da, spricht sie es scheinbar fließend. Woran das liegt? Sie fesselt ihn mit ihrer Muttersprache und setzt dazu auch die erfahrene Übersetzerin Frau Silbermann ein, welche in gewisser Weise die gesellschaftlichen Vorurteile zwischen Calvin und Nuri verkörpert.
Die Herangehensweise ist geschickt gewählt, von Nuri und damit auch vom Autor. Calvin kann sich trotz seiner eher feindlichen Gefühle dem Zauber der Worte nicht entziehen. Nuris Sprache ist trotz des vielleicht einfachen Stils ausgesprochen bildlich, was nicht nur auf Calvin sondern auch auf mich als Leser direkt wirkte. Man sieht die beschriebenen Landschaften und die Menschen direkt vor sich. Martin hat es verstanden nicht nur Calvin sondern auch den Leser gleichermaßen zu packen. Vielleicht macht das Buch gerade dadurch so nachdenklich?
Ich weiß nicht, was mir an „Sommer unter schwarzen Flügeln“ besonders gefallen hat, die Charaktere, der Schreibstil des Autors, die Handlung an sich? Ich denke es ist das Gesamtpaket, das diesen Roman zu einem so beeindruckenden Buch macht. Insgesamt hat es damit die vollen 5 Sterne meiner Ansicht nach mehr als verdient. Dieses Buch sollte man wirklich gelesen haben.

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