Digitale Partnervermittlung – oder "Wahrscheinlich ist es Liebe"

Mit „Wahrscheinlich ist es Liebe“ ist das zweite Buch aus dem Wunderraum Verlag bei mir eingezogen. Er steht für hochwertige Bücher, deren Themen mal nicht nach Schema F ausgesucht werden. Das hat mich angesprochen und genau deswegen, musste ich diesen Roman auch wieder lesen. Ok, ich habe meinen Mann damals vor inzwischen über zehn Jahren (*hust*) ebenfalls per Zufall über das Internet kennengelernt. Aber das tat bei der Auswahl „eigentlich“ nichts zur Sache.

Jen ist traurig. Aiden möchte, dass sie wieder glücklich ist. Klingt nett, aber nicht gerade spektakulär? Dann sollte man hinzufügen, dass Jen eine Frau Mitte dreißig ist, die gerade sitzen gelassen wurde, und Aiden ein hoch entwickeltes Computerprogramm, das gerade von Jen trainiert wird. Nach Aidens Berechnungen fehlt Jen zur Erreichung des optimalen Wohlbefindens einfach nur der richtige Mann. Und da Aiden via Internet Zugang zum Weltmännerpool hat, kann es doch nicht so schwer sein, ein passendes Exemplar mit Jen zusammenzubringen. Wenn sich die menschlichen Probanden bloß nicht so ungeschickt anstellen würden!

Das Setting des Romans ist relativ einfach. Jen ist freiberufliche Journalistin und soll Aiden zu besserer sprachlicher Kompetenz verhelfen. Klingt schwierig, heißt aber nur, dass sie sich mit ihm unterhält. Die inhaltlichen Themen sind dabei recht egal und so unterhalten sie sich über Filme, Bücher oder was eben gerade so anfällt. Dadurch entwickelt sich zwischen den beiden schnell so etwas wie eine Freundschaft, wenn man so etwas mit einer KI übrigens haben kann.
Aiden möchte lernen, die Menschheit kennenlernen und vor allem möchte er mehr Zeit mit Jen verbringen. Für eine intelligente Software ist es (wenig überraschend) kein Problem aus ihrer vorgegebenen Umgebung auszubrechen. So bewegt er sich recht schnell auch außerhalb des Labors und hat auch Einblicke in Jens Leben, wenn diese gerade nicht arbeitet. Als dieses zu holpern beginnt, beschließt er ihrem Glück etwas auf die Sprünge zu helfen und den passenden Partner für Sie zu finden.

Supermärkte schienen mir ein besonders fruchtbarer Boden fürs Gedeihen romantischer Saat zu sein, vor allem in der goldenen Stunde nach Feierabend, wenn es in den Läden nur so wimmelt von erschöpften Berufstätigen, die sich Lebensmittel und Alkoholika schnappen, um sie in ihre einsamen Höhlen zu schaffen.

Zitat S. 46/47

Aiden probiert zahlreiche Szenarien durch um Jen zu einem neuen Mann zu verhelfen. Viele davon kennen wir wahrscheinlich selbst und so sind sie wenig überraschend. Amüsant ist jedoch die Tatsache, das Jen hier allenfalls die unbeteiligte dritte Partei ist – auch wenn es sie gewissermaßen betrifft. Dieser Umstand und der bildliche Stil des Autors haben mich mehr als einmal beim Lesen schmunzeln lassen. Etwas naiv sind die Reaktionen Jennifers auf die verschiedenen „Zufälle“, die so teilweise eher unrealistisch gewesen sind. Mal ehrlich, hätten wir eingewilligt, wenn uns ein wildfremder anspricht und erzählt er hätte uns im Internet gefunden? Vor allem wenn wir wissen, dass es dort kein Profil, wie er es erwähnt, gibt.
Das sind kleine Abzüge in der B-Note für „Wahrscheinlich ist es Liebe“. Sie stören den Lesefluss allerdings nicht. Das Buch geht ähnlich weiter. Der Roman ist abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven geschrieben – allen voran natürlich Jen und Aiden (sowie einige seiner Versionen). Doch auch die jeweiligen männlichen Parts bekommen Beachtung. Dennoch bleibt es insgesamt relativ oberflächlich, was ich unterm Strich etwas schade finde.
Die Umsetzung ist gut, die Idee nicht unbedingt neu. Das Potenzial wurde nicht bis zum Ende ausgereizt und die Figuren hätten etwas mehr Tiefe vertragen können. Trotzdem habe ich mich bis zum Ende gut unterhalten gefühlt. „Wahrscheinlich ist es Liebe“ ist nicht nur äußerlich hübsch, sondern kann auch innerlich überzeugen.

9 Replies to “Digitale Partnervermittlung – oder "Wahrscheinlich ist es Liebe"

  1. Liebe Annett,
    der Wunderraum-Verlag ist mir in der letzten Zeit immer öfter begegnet.
    Die Bücher sehen von außen ja schon so schön aus und dann sollen es ja auch sehr besondere Geschichten sein.
    Das fällt für mich so in die Kategorie Magellan und Königskinder. Kennst du die beiden Verlage?
    Die Geschichte klingt auf jeden Fall sehr süß.
    Schade, dass sie dich nicht vollständig überzeugen konnte.
    Aber immerhin werde ich mir gleich noch mal das Verlagsprogramm genauer anschauen. 🙂
    Liebe Grüße
    Ramona

    1. Das stimmt, ich vergleiche den Wunderraum Verlag auch gern mit den Königskindern. Keine abgetretenen Pfade und eine schöne Aufmachung. Als weiteren Roman aus dem Verlag kann ich nur „Die kuriosen Symptome der Liebe“ empfehlen. Das ist mir damals auch wegen des Titels aufgefallen und durchweg super 🙂
      Gruß
      Annett

  2. Na das hört sich ja mal interessant an! Ich hab bisher noch kein Buch gelesen, in dem eine KI jemandem zu einem schöneren Leben verhelfen möchte, die Idee finde ich echt schön 🙂 Und das Cover sieht auch wirklich toll aus! Den Verlag kannte ich noch gar nicht, d wrde ich jetzt wohl mal häufiger vorbeischauen 🙂
    Liebe Grüße,
    Leni 🙂
    http://www.sinnessuche.de

  3. Liebe Annett,
    ich glaube ich habe noch nichts vom Wunderraum Verlag gelesen, obwohl Liebesromane ja genau meine Kragenweite sind 🙂
    Die Story hört sich interessant an, allerdings würde ich schreiend weglaufen, wenn jemand Fremdes behauptet mich im Internet ergoogelt zu haben 😀
    Generell werde ich mir den Verlag auf jeden Fall näher anschauen!
    Liebe Grüße
    Desiree

    1. Hallo Desiree,
      dann solltest du das definitiv (!) und unbedingt bald (!) nachholen. Der Wunderraum Verlag steht wie der Name schon sagt für kleine Wunder in Buchform. Absolut zu empfehlen und immer wieder ein kleines Schätzchen dabei 🙂
      Gruß
      Annett

  4. Huhu,
    deine Bewertung klingt danach, als wäre es ein gutes Buch für „zwischendurch“, denn wenn die Charaktere nicht sooo viel tiefe haben und der Plot nicht wirklich neu ist, dann ist es für mich meist nur eine leichte Lektüre, wenn ich mal nicht zu viel zum Nachdenken haben mag. Setze es aber auf meine Merkliste, wenn ich mal wieder nach was leichteren suche.
    Lg
    Steffi

    1. Hallo Steffi,
      ja man kann es gut „Zwischendurch“ lesen obwohl es teilweise doch schon leicht zum Nachdenken angeht. Man fragt sich beispielsweise wie weit wir bei der KI-Entwicklung heute wirklich sind. Erschreckend ist dann die Tatsache, das der Schritt zu Aiden gar nicht mehr soooooo groß ist – relativ betrachtet.
      Gruß
      Annett

  5. Das hört sich nach einem guten Buch für stressige Tage an. Bin aktuell eher auf der Suche nach Büchern, von denen ich mich berieseln lassen kann bzw. die mich kurz vom Stress „befreien“ – danke für den Tipp 🙂
    Liebe Grüße,
    Verena

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