Ein Verriss als Begriff ist uns allen bekannt. Dennoch scheint man ihm gerade im Bereich der Blogger eher selten zu begegnen. Dies ist eine Tatsache, auf welche zuletzt die liebe Iris aufmerksam gemacht hat. Ihr sehr gelungenes Plädoyer macht die Notwendigkeit aber auch die Seltenheit des Verriss‘ im Bereich der Buchrezensionen deutlich. Da sie eben so selten sind, bezeichne ich sie kurzerhand als Mythos.
Ist die Seltenheit unausweichlich?
Während die liebe Iris ganz klar mehr Mut zum Verriss fordert, frage ich mich eher warum er so selten ist. Schaue ich mir meine Rezensionen an, dann gibt es nur selten einen tatsächlichen Verriss. Das bleibt unausweichlich, da wir ja nur das lesen, was uns auch tatsächlich interessiert. Ein Verriss wird damit allerdings nicht unmöglich. Stattdessen ergibt sich für mich noch eine ganz andere Frage: Ab wann gilt eine Rezension bereits als Verriss?
Wer heute Rezensionen auf den verschiedenen Blogs liest, findet bei einigen tatsächlich sehr viele 4 oder 5 Sterne Bewertungen. Rezensionen mit nur drei Sternen sind hier schon die Seltenheit, 2 Sterne Bewertungen noch schwerer zu finden und eine Rezension mit nur einem Stern scheint fast unmöglich. Daraus resultiert auch der Verriss-Mythos, denn meiner Ansicht nach wird nicht nur die 1-Stern-Bewertung als Verriss angesehen. Selbst Rezensionen mit 2 oder 3 Punkten sind für manch einen bereits ein Verriss. Gemeint sind damit weniger die Autoren, denn auch einige Blogger befinden eine Bewertung mit nur 3 Punkten als eher schlecht.
Wo beginnt der Verriss?
Ein richtiger Verriss ist es meiner Ansicht nach erst dann, wenn es schwer fällt etwas Positives an einem Buch zu finden. Etwas allgemeiner kann man es vielleicht formulieren, wenn man davon ausgeht, dass ein Verriss dann geschrieben ist, wenn das Negative in einer Rezension überwiegt. Bei dieser Definition wäre eine 2-Sterne-Bewertung ebenfalls bereits ein Verriss. Wie oben beschrieben sind Rezensionen mit zwei oder gar einem Stern allerdings äußerst selten.
Hat dies tatsächlich etwas mit dem fehlenden Mut mancher Blogger zu tun, die aus Angst vor den Reaktionen keine schlechten Bewertungen schreiben möchten. Sie bewerten sich selbst an der Anzahl der Rezensionsexemplare, die sie erhalten und fürchten mit negativen Bewertungen keine oder weniger zu erhalten. Die Rezensionen werden dadurch immer positiv geschrieben und negative Eindrücke nur bedingt bis gar nicht erwähnt. Das trifft allerdings nicht auf alle Blogger zu. Dennoch finden sich auf vielen Blogs hauptsächlich gute Bewertungen mit 4 oder mehr Sternen. Drei Sterne sind hier ebenfalls vertreten aber bei weitem nicht so häufig.
Resultiert ein Verriss aus zu hohen Erwartungen?
Natürlich kann jetzt wieder angeführt werden, dass jeder nur nach seinem eigenen Geschmack liest und es daher unwahrscheinlich ist eine schlechte Bewertung schreiben zu müssen. Das ist natürlich wahr, denn keiner von uns möchte etwas lesen, das ihm nicht gefällt – ich auch nicht. Dennoch kann nicht jedes Buch uneingeschränkt gut sein. Tatsächlich gibt es Bücher, die klingen gut und sind dann letztlich eher enttäuschend. Hier stellt sich mir die Frage ob der Verriss nur durch meine Erwartungen an das jeweilige Buch entstanden ist.
Würde im Umkehrschluss die Wahrscheinlichkeit für einen Verriss sinken, sofern wir Bücher ohne vorherige Erwartungen lesen würden? Das wäre meiner Ansicht nach tatsächlich möglich, denn letztlich ist jede Rezension eine rein subjektive Bewertung die aus den eigenen Vorlieben entsteht. Es ist faktisch unmöglich ein Buch ohne eine gewisse Erwartung zu lesen. Diese Erwartungen entstehen aufgrund eines Covers, des Klappentextes oder aber der anderen Bücher eines Autors.
Sind wir einfach zu anspruchsvoll?
Ein aktueller Autor ist hier für mich insbesondere Fitzek – nicht aufgrund der sehr interessanten Twitter-Leserunde, sondern aufgrund der vielen, teils sehr unterschiedlichen Meinungen. Ich habe Fitzeks Debüt gelesen und war begeistert. Sein zweites Buch fand ich danach nicht ganz so gut. „Der Nachtwandler“ war dagegen wieder hervorragend und auch „Passagier 23“ ließ mich atemlos zurück. Dieses Buch führte tatsächlich dazu, dass ich noch mehr Bücher von Fitzek lesen wollte und wie überraschend, es folgten gleich zwei Enttäuschungen.
„Der Seelenbrecher“ wurde mir als hervorragender Fitzek vorgeschlagen. Ich habe gelesen, mich zunächst gelangweilt und dann letztlich doch ein wenig gegruselt. Insgesamt war es dennoch enttäuschend. „Der Augensammler“ war hier nicht besser und erst „Der Augenjäger“ vermochte mich erstmals wieder richtig zu fesseln. Ich weiß nicht ob die ersten beiden Fitzeks besser abgeschnitten hätten, wäre ich zuvor von „Passagier 23“ nicht so begeistert gewesen. Zwischen diesen Büchern liegen Jahre und auch Autoren entwickeln sich nun einmal weiter (was auch gut so ist).
Für mich persönlich ist die „Keine-Erwartungen“ Haltung also unmöglich. Ich stehe morgens auf und habe bereits Erwartungen an den Tag. Damit bin ich nicht allein. Die Frage ist nur, sind die Erwartungen zu hoch, sodass die Wahrscheinlichkeit für eine Enttäuschung steigt? In manchen Fällen ja, meist aber eher nein. Erwartungen resultieren aus bisherigen Erfahrungen und Meinungen. Wir wissen was uns bisher gefallen hat und haben dadurch eine gewisse Erwartung für gute Unterhaltung. Wir geben uns nicht mit dem erstbesten zufrieden und werden mit jedem weiteren Buch anspruchsvoller – unabhängig vom Autor aber besonders auch für jeden Autor im Einzelnen. Wer mehrere Werke des gleichen Autors liest hat an diesen ganz andere Erwartungen als an einen gänzlich unbekannten.
Fazit
Ein Verriss resultiert aus den eigenen Lese-Erfahrungen und den daraus resultierenden Erwartungen an ein Buch. Er ist nicht leichtfertig zu schreiben und verlangt je nach Härte auch eine Portion Mut. Es reicht manchmal aber auch schon ein kleiner Verriss, denn was meiner Ansicht nach oft fehlt ist die Ehrlichkeit und der Mut zum Negativen. Auch eine 3-Sterne Bewertung kann einen kleinen Verriss enthalten. Negative Eindrücke sollten nicht totgeschwiegen werden. Sie machen jede Rezension glaubwürdiger, denn es kann nicht immer alles super und perfekt sein – auch nicht in Büchern.
Hallo Annett!
Ich freue mich, dass du dazu einen Post geschrieben hast. Deine Gedanken weiten das Thema aus und daran sieht man, wie breit ein Themenspektrum sein kann.
Zu den Bewertungen: Die werden ja immer sehr unterschiedlich gehandhabt. Bei mir sind 3-Sterne-Bewertungen Leseempfehlungen für Bücher, die man lesen kann, die aber mit nichts besonderen überraschen können. So Durchschnittsbücher halt.
Darunter sind dann die Verrisse zu finden. Auch bei mir kommen nicht allzu viele Verrisse mehr zusammen, weil ich mir mittlerweile angewöhnt habe, Bücher schon mal abzubrechen. Und abgebrochene Bücher rezensiere ich nicht (obwohl ich mir hier schon Gedanken mache, diese künftig in einen Sammelpost unterzubringen). Früher habe ich jedes angefangene Buch durchgelesen, das ich angefangen habe – da hatte ich dann regelmäßig Bücher dabei, die für einen Verriss taugten.
Und ja, ganz sicher ist eine Erwartungshaltung gegenüber einem Buch mitausschlaggebend für eine Bewertung. Wäre ja unlogisch, wenn wir Bücher kaufen würden, von denen wir uns eh nichts erwarten. Und doch gibt es Bücher, die zwar nicht unsere Erwartungshaltung treffen, dafür uns aber auf andere Weise überraschen und überzeugen können. Es ist wahrscheinlich ein Mix zwischen Erwartungshaltung, Qualität des Buches, Geschmack des Lesers, der uns dann zu einer gewissen Bewertung lenkt.
Aber all das ist ja bei Rezensionen gewollt. Der subjektive Eindruck zu einem Buch zählt. Und subjektiv heißt auch, kein Buch kann wirklich jeden Leser erreichen, denn dann wäre unser aller Geschmack ja gleich.
Schönen Sonntag dir, liebe Grüße, Iris